UX Writing – Texte nutzergerecht schreiben

User Experience Design | UX Writing

Was ist UX Writing?

„Herzlich willkommen“ oder doch einfach nur „Hi“?

Die Wahl der richtigen Worte entscheidet darüber, wie eine Botschaft beim Gegenüber ankommt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um ein direktes Gespräch zwischen zwei Personen handelt oder um die Kommunikation zwischen einem Unternehmen und seinen Nutzer:innen auf einer Website. Mit der richtigen Wortwahl – oder auch der falschen – können wir beeinflussen, wie wir verstanden werden (wollen).
Beispiel für die nutzerzentrierte, persönliche Ansprache in einem Newsletter des hessischen Fußballvereins Eintracht Frankfurt.

Beispiel Newsletter-Text nach einer Bestellung: Die Frankfurter Eintracht setzt auf lokale Sprache, um ihre Fans anzusprechen.

UX Writing knüpft genau an dieser Stelle an und legt den Fokus auf durchdachte Informationen und eine bewusst gewählte Sprache. Ziel ist es, Formulierungen so zu schärfen, dass Botschaften nutzergerecht transportiert werden.

Mit diesem Artikel kratze ich nur an der Oberfläche des UX Writings, denn ich möchte zunächst das Thema und seine Relevanz im Allgemeinen vorstellen. In weiteren Artikeln werde ich dann einzelne Aspekte vertiefen.

Welches Ziel hat UX Writing?

Mit UX Writing wird der Fokus auf eine nutzergerechte Sprache gelegt. Ziel ist es, Inhalte so zu kommunizieren, dass sich Nutzer:innen positiv angesprochen fühlen und sich durch Applikationen gut begleitet wissen. UX Writing hilft, sprachliche Barrieren gezielt zu vermeiden. Als Teil einer ganzheitlichen User Experience soll durch die Wahl der passenden Worte ein positives Nutzererlebnis geschaffen werden.

Was kann UX Writing leisten?

Auch wenn die Ziele und Wege von Nutzer:innen unterschiedlich sind, haben sie etwas gemeinsam: Beim Benutzen einer App oder dem Durchstöbern einer Website wollen sie positive Erfahrungen (User Experience) machen.

Genau hier leistet UX Writing einen wichtigen Beitrag. Die Art, wie Nutzer:innen auf einer Website angesprochen oder mittels Text durch eine Applikation geführt werden, beeinflusst maßgeblich die Nutzerzufriedenheit. UX Writing ist eine zentrale Komponente im User Experience Design und trägt dazu bei, die allgemeinen Usability-Heuristiken von Jakob Nielsen (→ Beitrag Usability) zu erfüllen.

Neben den allgemeinen Heuristiken gibt es auch spezifische Content-Heuristiken, die sich auf die Erstellung und Bewertung von Texten in digitalen Produkten konzentrieren. Diese gezielten „Leitlinien“ werde ich in einem späteren Artikel genauer vorstellen.

Unterschiedliche Zwecke von UX Writing

1. Verkaufsförderung

Wird UX Writing für Marketingtexte genutzt, können Verkaufsraten gesteigert oder die Bekanntheit einer Marke erhöht werden. Diese Art von UX Writing liegt nahe am werblichen Schreiben und setzt stark auf Kaufanreize.

2. Nutzerfluss-Optimierung

UX Writing kann aber auch eingesetzt werden, um Nutzerflüsse in Applikationen oder Websites zu verbessern. Beim technischen Schreiben liegt der Fokus darauf, Nutzer:innen auf dem Weg zu ihrem Ziel zu begleiten und die Fehleranfälligkeit eines Systems zu minimieren.

Feinjustierung mit UX Writing

UX Writing bietet zahlreiche Möglichkeiten, Texte auf die Nutzer:innen zuzuschneiden. Neben grundlegenden Prinzipien wie verständlicher Sprache gibt es viele weitere Ansätze, Texte zu optimieren. Diese lassen sich in zwei Bereiche gliedern:

Grundlegendes UX Writing

Unter grundlegendem UX Writing fallen Aspekte, die bei der Erstellung von digitalen Inhalten immer berücksichtigt werden sollten, um ein positives Nutzererlebnis zu schaffen.
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Einfach und verständlich

Im UX Writing spielen präzise und zugängliche Texte eine zentrale Rolle, um Nutzer:innen intuitiv durch ein digitales Produkt zu führen. Die Verständlichkeit der Texte ist dabei essenziell.

  • Texte sollte einfach und zielgerichtet formuliert sein. Dadurch können zu erledigende Aufgaben, wie etwa das Ausfüllen eines Registrierungsformulars, auch ohne technisches Hintergrundwissen verstanden werden.
  • Inhalte sollten immer auch sinnvoll gegliedert sein, damit Nutzer:innen sich leichter orientieren können. Unterschiedliche Überschriften-Ebenen (H1, H2, usw.) helfen Textwüsten ins lesenswerte Bereiche zu unterteilen.
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Texte für alle

Ein weiterer wichtiger Aspekt beim UX-Writing ist, dass Texte so formuliert sind, dass sie von einer breiten Nutzergruppe verstanden werden. Dazu gilt es, einige wenige Dinge zu berücksichtigen:

  • Interkulturelle Unterschiede berücksichtigen: Begriffe, Metaphern oder Humor, die in einer Kultur selbstverständlich sind, können anderswo missverständlich sein.
  • Barrierefreiheit sicherstellen: Screenreader-freundliche Texte mit klaren Strukturen und ALT-Texten für Bilder sind essenziell.
b3lineicon|b3icon-phone-chat||Phone Chat
Unterstützend

Zudem trägt bewusst eingesetzte Sprache dazu bei, Nutzungsfehler zu vermeiden.

  • Eindeutige Formulierungen reduzieren Fehler und sorgen für Orientierung.
  • Hilfstexte können Nutzer:innen unterstützen, z. B. bei Formularen.
  • Assistive Technologien, wie Chatbots/AI-Chats, können zusätzliche Hilfestellungen bieten.

Erweitertes UX Writing

Über die grundlegenden UX Writing-Aspekte hinaus, können Text auch noch spezifischer betrachtet und für eine gute User Experience optimiert werden.
b3lineicon|b3icon-user-switch||User Switch
Nutzergruppen-orientierte Sprache
  • Eine präzise Anpassung der Sprache auf spezifische Zielgruppen schafft Vertrauen.
  • Fachsprache für Mediziner:innen oder eine lockere Tonalität für Jugendliche sind Beispiele für differenziertes UX Writing.
b3lineicon|b3icon-skyscraper||Sky Scraper
Einheitliche Sprachregelungen
  • Ein konsistenter Sprachstil über alle Kanäle hinweg stärkt die Markenidentität und sorgt für ein stimmiges Nutzererlebnis.
  • In der „Tone of Voice“ können Unternehmen definieren, wie sie mit ihren Nutzer:innen kommunizieren wollen.

UX Writing in der Praxis

Anmeldung beim Nutzerkonto

Das Anmelden beim eigenen Kundenkonto hat vermutlich jede:r schon mehrfach praktiziert – ganz gleich, ob beim Online-Shopping oder auf einer anderen Website, bei der persönliche Daten abgefragt werden. Für mich persönlich stellt dieser Vorgang immer einen gewissen Nerv-Faktor dar, denn ich muss nicht nur den richtigen Nutzernamen (oder die E-Mail-Adresse) wissen, sondern auch das passende Passwort eingeben.

Da bin ich zumindest immer froh, wenn der Anmeldevorgang so positiv wie möglich gestaltet ist. Hierbei spielt zum einen die Usability eine große Rolle, aber auch die Art, wie ich auf der Anmeldeseite angesprochen werde.

Hier ein paar Beispiele, die sich in der User Experience-Qualität deutlich unterscheiden:

Screenshot der Anmeldeseite von Hornbach.
Hornbach: Sachlich im Text, persönlich in der Bildsprache

Hornbach setzt in seiner Unternehmenskommunikation konsequent auf eine starke Bildsprache und vor allem auf klare Textaussagen. Das zeigt sich auch bei der Anmeldung zum Kundenkonto: Die Nutzer:innen wissen direkt, wo sie sich anmelden können.

Einziger Kritikpunkt: Es gibt eine Inkonsistenz bei den Begriffen in der Überschrift und dem Button. In der Überschrift wird „einloggen“ verwendet, während der Button den Begriff „Anmelden“ nutzt. Hier wäre also noch Optimierungsbedarf.

Unterstützend: Sollten Nutzer:innen ihr Passwort vergessen haben, können sie direkt auf einen Link klicken.

Auch für neue Nutzer:innen ist der Weg zum Kundenkonto nicht weit. Zwar wirkt der Text auch hier nicht besonders einladend, aber konsistent ist der Textstil allemal.

Screenshot der Anmeldeseite von BAUHAUS.
BAUHAUS: Sehr nüchtern, keine gute Gliederung

Die Anmeldeseite von BAUHAUS ist weder grafisch noch textlich besonders ansprechend gestaltet.

Am auffälligsten ist der blaue Button „Über Google anmelden“ von Google selbst, mit dem sich Nutzer:innen über ihr Google-Konto direkt einloggen können.

Textliche Anmerkung: BAUHAUS ergänzt den Button mit einer eigenen Abwandlung des Texts „Mit Google anmelden“. Diese unsaubere Dopplung ist überflüssig.

Hauptkritik: Nutzer:innen ohne Google-Konto finden erst weiter unten auf der Seite ihre Anmeldemöglichkeit. Die leicht zu übersehende Überschrift zu dieser Sektion („Ich bin bereits als Kunde oder PLUS CARD-Kunde bei BAUHAUS registriert.“) wirkt umständlich formuliert und ist eigentlich nicht notwendig.

Potenzielle Neukunden fallen auf dieser Seite leider komplett hinten runter. Nüchterner als mit der Aussage „Neuer Kunde? Jetzt registrieren“ kann man neue Kunden wohl kaum ansprechen. Schade eigentlich.

404 Fehlerseiten – eine Seitenart mit Kultfaktor-Potenzial

404-Fehlerseiten werden immer dann angezeigt, wenn eine Seite nicht gefunden werden kann. Häufig passiert das, wenn Seiten umstrukturiert werden und alte Verlinkungen nicht mehr existieren.

Aus User Experience-Sicht ist der Fehlercode 404 daher ein Worst-Case-Szenario – wer möchte schon, dass Nutzer:innen auf einer Seite landen, die es nicht gibt? Was also tun, um die Laune der Nutzer:innen zu heben?

Webdesigner:innen legen sich bei der Gestaltung von 404-Fehlerseiten oft besonders ins Zeug, um mit unerwartetem Design die Stimmung der Nutzer:innen bewusst aufzulockern.

Und sprachlich? Hier hängt es sehr von der Zielgruppe ab, mit welcher Tonalität die Fehlermeldung formuliert werden sollte. Auflockernd kann ein Augenzwinkern sein. Selbstkritik ist sinnvoll, wenn ein technischer Fehler vorausgegangen ist und die Seite deshalb nicht mehr verfügbar ist.

Was aber alle 404-Fehlerseiten unbedingt anbieten sollten, ist eine klare Möglichkeit zum Ausweg – etwa ein Suchfeld oder Verlinkungen zu anderen relevanten Seiten.

Screenshot der 404-Fehlerseite vom SV Waldhof Mannheim
SV Waldhof Mannheim: Laute Headline mit sprachlicher Anspielung

Der SV Waldhof ist der lokale Fußballverein in Mannheim. Sportlich spielt der Verein zwar nicht in der 1. Liga, sprachlich kann er sich hier aber sehen lassen.

Die prominente Headline trifft sprachlich sprichwörtlich ins Schwarze: „Der Schuss ging ins Leere“ ist eine perfekte Anspielung auf die Sportart Fußball.

Der nachfolgende Hinweis „Volltreffer gibt es bei uns in der Suche“ holt auch noch den letzten verärgerten Fan wieder auf den Platz.

Screenshot der 404-Fehlerseite vom News-Portal Medium.com
Medium.com: Klare Botschaft mit einem Augenzwinkern

Die Fehlerseite von medium.com, einer Plattform für redaktionelle Artikel jeder Art, macht sich die Leere einer 404-Seite zunutze.

Mit der Botschaft „Aus dem Nichts entsteht etwas“ greifen die Macher:innen der Website das Thema Content-Erstellung charmant auf.

Mit dem Hinweis, dass man auf Medium fast alles finden kann, werden Nutzer:innen ermutigt, nicht aufzugeben und nach einem anderen Artikel zu suchen. Zusätzlich werden neue Artikel empfohlen.

Optisch nicht besonders auffällig, dafür aber textsicher umgesetzt.

Fazit

UX Writing – mehr als nur Worte

UX Writing ist weit mehr als das bloße Verfassen von Texten. Es ist ein bewusster Einsatz von Worten, die darauf abzielt, Nutzer:innen intuitiv durch digitale Produkte zu führen. Eine klare und prägnante Sprache kann dabei helfen, Missverständnisse zu vermeiden, Nutzungsfehler zu reduzieren und darüberhinaus eine positive Nutzererfahrung zu fördern. Besonders in komplexen oder kritischen Anwendungen kann UX Writing den entscheidenden Unterschied machen.

Allerdings darf man nicht vergessen, dass UX Writing alleine nicht alle Nutzungsprobleme beseitigen oder verhindern kann. Probleme wie verwirrende Benutzeroberflächen, unlogische Userflows oder technische Barrieren können auch durch die besten Texte nicht vollständig gelöst werden. Hier zeigt sich, dass UX Writing zwar eine wichtige Komponente, aber eben nur ein Teil des gesamten UX-Prozesses ist.

Im Gesamtkontext des UX-Designs agiert UX Writing als Vermittler zwischen der visuellen Gestaltung, den funktionalen Elementen und den Nutzer:innen selbst. Es macht Interaktionen verständlich und oft auch emotional ansprechend.

Die besten Ergebnisse entstehen, wenn UX Writing eng mit anderen Disziplinen wie UI Design, Nutzerforschung und Entwicklung zusammenarbeitet. So wird UX Writing nicht nur ein Werkzeug, sondern eine Brücke, die alle Elemente eines gelungenen digitalen Erlebnisses miteinander verbindet – und letztlich den Erfolg des Produkts maßgeblich mitbestimmt.

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